BÜCHER ZUM FILM

Tibet lebt

Begleitmaterial zum Film KUNDUN

Zwei Bücher sind im direkten Zusammenhag mit Martin Scorseses Film auf Deutsch erschienen. Erstens der Bericht Palden Gyatos, der als tibetischer Mönch 32 Jahre lang in chinesischen Gefängnissen (in Tibet) einsaß - zweitens eine Familien-Biographie des 14. Dalai Lama, dessen erste 24 Jahre der Film Kundun erzählt.
Palden Gyatso schrieb auf, was er erlebte. Das war wenig von Tibet (mit 10 Jahren ging er schon ins Kloster), und viel vom Besatzungsregime (bis 1992 war er inhaftiert). Und wo er wirklich defätistisch tätig war (etwa Protest-Plakate kleben), da ist sein Lebenswerk seltsam undeutlich. Dafür sind auch die Folter-Szenen kurz. Ich, Palden Gyatso, Mönch aus Tibet ist ein erstaunlich unaufgeregtes Zeitzeugnis der Greuel, die eine "bessere Idee" gegen ein "rückständiges Volk" anrichten kann. Und einer würdevollen Haltung, die ihn nie an Rache denken ließ, oder an sein Rolle als Märtyrer. Palden war der erste Gefangene des Regimes, der vor der UNO sprechen konnte - und seine größte Freude war, daß die Chinesen ihm dort zuhörten. Mehr will er gar nicht. Und ein freies Tibet.
Kundun will, im Buch, das 1000mal lehrreicher als Film ist, und 100mal weniger eindringlich, mehr. Der Dalai Lama will ein anderes, demokratisches Tibet. Und Mary Craig will ein politisches Porträt anhand einer weitverzweigten Familien-Biographie liefern. Deren Haupt-Vorzug ist, daß sie sich in verschiedene Richtungen lesen läßt. Und überhaupt nicht als antikommunistische Propaganda. Noch als naives "Buddhisten sind bessere Menschen"-Pamphlet. Sicher ist die Besetzung Tibets ein Unrecht, sicher gab es Folter und Völkermord. Aber es gab und gibt auch korrupte Cliquen im eigenen Lager, und reinkarnierte Lamas, die Reinkarnation für Aberglauben halten. Und lange Exkurse zur ziemlich jungen Geschichte der vermeintlich "altehrwürdigen" Kultur (seit dem 16. Jahrhundert). Mary Craig liebt Kundun und Tibet, aber sie ist auch Amerikanerin genug, die Unterdrückung nicht als "Good vs. Bad" zu zeichnen, sondern als "Bad vs. Ugly". Und sie ist sachkundig und geschickt genug, die Möglichkeiten Tibets am Familen-Schicksal zu erläutern: Annäherung an China bis zur Selbstaufgabe - oder, notfalls bewaffneter, Befreiungskampf auf unbestimmte Zeit (je ein älterer Bruder des Kundun stehen dafür) - oder rigorose Verständigung und unwiderstehliche Nettigkeit (in Form von Llamo Thöndup, Tenzin Gyatso, dem 14. Dalai Lama).
WING
Palden Gyatso: Ich Palden Gyatso 303 S., 33.80 DM
Mary Craig: Kundun 480 S., 39.80 DM, beide Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 1988